Animas
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.


Wir sind wiedergeboren. Wir waren mal Tiere. Doch nun wollen wir unser Leben so führen wie wir es vorgehabt hatten. Mit nur einem Unterschied: Wir sind Menschen. Und die R.U.S.E. hängt uns an den Fersen...
 
StartseiteStartseite  NeuigkeitenNeuigkeiten  Neueste BilderNeueste Bilder  AnmeldenAnmelden  LoginLogin  AegothAegoth  SuchenSuchen  

 

 "Just a little time"

Nach unten 
AutorNachricht
Damian
Admin
Damian


Männlich Haus A mit Bruder Raymon
Arbeit : Kellner und Sänger im Irish Pub
Laune : angeschlagen
Zweitaccount : Haru
Anzahl der Beiträge : 77

"Just a little time" Empty
BeitragThema: "Just a little time"   "Just a little time" EmptyDo Nov 28, 2013 6:34 am

Just a little time

Der Himmel war grau in seiner ersten Erinnerung. Grau und eine einzige glatte Fläche.
Er war neun, vielleicht auch erst acht Jahre alt. Sein schwarzer Haarschopf glatt an den Kopf gekämmt. Keine Strähne stand auch nur einen Millimeter ab. Seine Braunen Augen hatten sanfte grüne Fäden in der Iris. Jeder liebte sie.
Seine erste Erinnerung, war jene an seine Eltern. Es war kein besonderes Datum, oder ein besonderer Anlass. Aber es war der Erste Tag an den er sich bewusst erinnerte. In jeder Einzelheit.
Wie jeden Morgen weckte ihn seine Mutter. Sie lächelte und sagte:
„Aufstehen mein Spatz. Der Tag gehört dir.“ Alles war wie immer. Er liebte es wenn sie das sagte. Er fühlte sich als etwas besonderes. Sein Vater las wie jeden Morgen in der Zeitung. Er saß in seiner typischen Haltung, ein Bein über das andere geschlagen mit einer Zigarette im Mundwinkel, an dem Tisch in der Küche. Er sah sein Gesicht nicht wenn er hineinkam, doch immer wenn der Vater ihn den Raum betreten hörte, senkte er die Zeitung und lächelte ihm zu.
„Guten Morgen, Hatsuharu.“ Sein Vater nannte ihn immer bei seinem vollen Namen.
„Morgen, Vater.“ antwortete der Sohn immer.
„Es heißt guten Morgen, Vater.“
„Aber du bist doch mein Vater und ich nicht deiner. Wie soll so was denn gehen?“ erwiderte Haru dann und der Vater sah mit einem kleinen Kopfschütteln zurück in seine Zeitung. Alles wirkte friedlich in dieser Erinnerung. Ein perfekter Tag. Eine perfekte Familie. Ein perfektes Theaterstück.
Haru verstand nicht warum. Aber etwas erschien im Falsch. Falsch an dem Lächeln seiner Mutter, falsch an der Herzlichkeit seines Vaters. Einfach falsch.
„Warum seid ihr immer fröhlich und lieb zu mir?“
Das Lächeln auf den Gesichtern erstarrte, wurde kalt, ließ alle Falschheit nach Außen.
„Was fragst du nur immer so dummes Zeug?“
Fragte der Vater.
„Eltern haben ihr Kind lieb zu haben.“
Haru senkte nachdenklich den Kopf. War es dumm? Dann stand er auf, von dem Küchentisch, der allzeit von Lachen und liebe erfüllt war, trat auf eine alte Urne zu, sah noch einmal seine Eltern an, in deren Gesichter langsames Begreifen sichtbar wurde, dann schmiss er sie zu Boden.
Sie zerbarst. Zerbarst in unzählige kleine Splitter. Sein Herz pochte vor Aufregung, aber sein Gesicht blieb ausdruckslos. Eine Zeitlang herrschte Stille. Keine Warme stille wie früher wenn er ins Bett geschickt wurde, sondern kalte, berechnende Stille. Seine Mutter war die erste die zitternd das Schweigen brach. Noch immer hatte sie dieses seltsame, falsche Lächeln auf den Lippen, doch ihre Augen blickten leer, fast am Rande des Wahnsinns.
„Was machst du Dummerchen nur immer?“
Sie wollte auf ihn zu und seine Haare berühren, doch Haru wich zurück. In ihm machte sich Zorn bemerkbar. Zorn über die Falschheit in dieser Familie. Als ihre Hand in die Leere fasste, zuckte die Mutter zurück. Und ihr Lächeln verschwand.
„Das kommt davon wenn man den dummen Bengel alles durchgehen lässt. Müssen die Gene sein!“
Grimmte der Vater laut. Mutter schwieg.
„Hört auf!“
Rief Haru. Was hatte Vater gemeint? Welche Gene? Seine Gene? Was war falsch daran?
„Hört auf damit.“
Und sie hörten auf. An diesem Tag, war es das letzte Mal, dass seine Mutter ihn in den Arm nahm um seine Tränen zu trocknen, das letzte Mal, dass er das Lächeln auf ihren Lippen sah. Das Letzte Mal, dass sein Vater ihn nicht verachtete.

Vier Jahre vergingen. Harus Haare waren noch immer gestriegelt, er hatte es nie anders gelernt. Seine Kleidung war immer korrekt und sauber. Doch Haru selbst, war nicht mehr der Junge von damals. Sein Gesicht zierte zumeist eine Maske aus Ausdruckslosigkeit was viele Glauben ließ, dass er nie mitdachte, immer in seiner Welt hing. Und zum Teil stimmte das sogar. Er blendete die Stimme seines Vaters aus, die ihn immer wieder sagte wie der er sei. Das er nicht sein Kind war. Haru verstand es nicht. Dieser Mann hatte ihn aufgezogen. Er hatte ihn Vater genannt. Was brauchte es mehr, das er genau das war? Was stand ihnen da im Weg? Die Gene. Haru hasste seine Gene auf das Tiefste. Er wollte sie nicht. Wollte wer anderes sein.
Seine Mutter redete kaum noch mit ihm. Wenige Anweisungen oder Floskeln, die dazu beitrugen, den Nachbarn eine glückliche Familie vor zu spielen. Irgendetwas in ihr war gebrochen an diesem Tag. Und es war sicherlich nicht die Urne.
„Iss dein Gemüse.“
„Warum? Weil es Vater sonst wieder im Hals stecken bleibt?“ Antwortete Haru. Und schon schlug sein Vater mit der Faust auf den Tisch.
„Du sollst dich nicht immer so dumm anstellen, du beeinträchtigter Idiot! Deine Mutter hat gesagt du sollst dein Gemüse essen, also iss es!“
Haru lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, legte einen Fuß an die Tischkante und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
„Nein.“
Das Gesicht seines Vaters färbte sich rot und eine Ader über seinem linken Auge begann zu pochen. Ob es Haru gelingen würde sie zum platzen zu bringen?
„Geh! Verschwinde aus meinem Haus!“
„Aber, Liebling…“ Versuchte die Mutter noch ab zu wiegen, doch der Vater ließ sich nicht mehr beirren. Haru schloss für einen kurzen Augenblick die Augen und erhob sich seufzend.
„Schon gut Mutter. Spar dir das. Ich war sowieso fertig.“
Damit verließ er die Wohnung. Es war ein äußerst trüber, diesiger Tag. Feuchter, weißer Nebel waberte durch die Luft und ließ seine Kleidung klamm werden.
„Damian! Damiaaan!“ Schrie eine kleine Stimme. Sie konnte nicht älter als vier, vielleicht Fünf sein. Ein kleiner Junge, mit dunklem Haar und einer Rotzverschmierten Nase rannte durch die Straßen und schien jemanden verzweifelt zu suchen. Haru mochte kleine Kinder. Wenn sie lustig, und fröhlich waren. Aber nicht wenn sie schrien, und weinten. Und trotzdem lief er zu dem Jungen hin.
„He, Knirbs.“ Rief er ihm zu und der Junge wandte sich um. Haru betrachtete ihn. Er sah so verzweifelt aus.
„Hast du meinen Bruder gesehen? Er ist so groß,“ er hob die Hand und Streckte sich. „ Er hat ganz dunkles Haar, wie ich und ganz helle, blaue Augen.“
Haru zuckte die Schultern. „Nö:“
Er beugte sich zu dem kleinen Jungen hinab welcher nun wieder zu weinen begonnen hatte.
„Hast du denn meinen Bruder gesehen?“ Fragte Haru und verwundert hob der Junge den Kopf.
„Du hast auch einen Bruder? Wie sieht er aus?“ Harus Miene wurde wieder Ausdruckslos.
„Keine Ahnung.“
Damit erhob er sich wieder und setzte seinen Weg fort. Er konnte hinter sich die Schritte eines Kindes vernehmen. Der Junge folgte ihm. Er wandte den Kopf herum.
„Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht weiß wo dein Bruder ist!“ Doch da war kein kleiner Junge. Vielleicht hatte er sich das auch nur eingebildet. Oder er bekam einen Tinitus.
Doch auch weiterhin konnte er die Schritte hinter sich vernehmen. Er beschloss, sie nicht weiter zu beachten und setzte seinen Weg fort. Irgendwo hin. Bis er am Stadtrand ankam. Er hatte sich schon wieder verlaufen. Das passierte ihm andauernd. Er betrachtete die Baumkronen des Waldes welcher sich an die Stadt anschloss. Dann lief er weiter. Die Schritte folgten ihm, wurden von Minute zu Minute jedoch immer leiser. Vielleicht hatte der Junge aufgegeben?
Dann konnte er etwas hören. Es klang wie das Winseln eines Hundes. Eines geschlagenen Hundes. Eines Hundes nahe dem Ende. Er lauschte angestrengt und glaubte, dass es von einem Baumstamm kam. Als er um ihn herumging, erkannte er, dass er ausgehölt war. UN inmitten dieser Höhle, lag ein Junge seines Alters. Seine Haare waren schwarz wie seine, nur sehr zerzaust. Seine Kleidung war von Schmutz überzogen. Und von roter Farbe. War er vielleicht hingefallen?
„Damian! Damiaaaan!“ erklang plötzlich wieder die Stimme des kleinen Jungen von vorhin und Haru sah auf den schwarzhaarigen im Baumstamm hinab. War das der Bruder? Er könnte die Größe haben die der Junge beschrieben hatte, doch genau konnte er sich nicht sicher sein. Er lag viel zu gekrümmt da. Gekrümmt von einem Elend, dass ihn blind für Haru machte.
„Hm, wenn das so ist.“ Haru richtete sich auf und ging ein Stückchen von dem Baumstamm fort. Er suchte mit den Augen die Baumstämme ab und tatsächlich. Ein Stück weiter hinten, konnte er den Schopf des kleinen Jungen ausmachen.
„Hier drüben.“ Rief er und versuchte seine Stimme dunkler klingen zu lassen. Er hatte keine Ahnung ob der Baumstammjunge solch eine Tiefe Stimme hatte, aber irgendwie schien sie zu ihm zu passen. Der Junge von vorhin drehte sich ihm zu und Haru versteckte sich hinter einem breiten Stamm. Er konnte hören wie der andere vorsichtig näher kam.
„Damian?“ Seine Stimme war viel leiser als vorhin. Und heiser. Er hatte sich heiser gerufen. Harus Brust begann zu schmerzen. Wie furchtbar musste es sein, denjenigen, den man gern hatte, nicht bei sich zu haben? Nicht die geringste Ahnung zu haben wo er sich aufhielt?
„Hier drüben.“
Rief er noch einmal und die Schritte wurden schneller. Dann lief der Junge direkt an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. Seine Augen waren permanent auf den hohlen Baumstamm gerichtet. Er musste das Winseln jetzt auch hören.
„Damian...“
Er sah die Tränen in den Augen des kleinen Jungen und auf Harus Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Haru drehte sich um und verließ die beiden. Es war das erste mal, dass er Damian begegnet war.
Zu Hause war irgendetwas anders. Es war jemand zu Besuch gekommen den er nicht kannte. Es war ein Mann, mit schwarzen Haaren und braunen Augen. Irgendetwas an ihm gefiel Haru nicht. Irgendetwas in seinem Gesicht.
„Bin wieder da.“ Sagte er Tonlos und ließ seinen Schlüssel klappernd in eine Tonschale fallen.
„Wo bist du gewesen, dummer Bengel?“ Schrie ihn sein Vater an. Haru kratzte sich nur mit dem kleinen Finger im Ohr.
„Hier und da. Ich hatte mich verlaufen.“ Antwortete er, die Augen desinteressiert halb geschlossen. Sein Vater sprang von dem Tisch auf, an dem er mit dem Fremden und der Mutter saß. Jene fasste ihn vorsichtig am Oberarm, doch er entzog sich ihrer Berührung. Haru fand, dass seine Mutter heute besonders blass war.
„Das sind die Gene! Diese verfluchten, dummen Gene! Fass mich nicht an! Ich kann deine Berührung heute nicht ertragen!“ Er deutete herrisch auf einen Freien Platz direkt neben dem Fremden.
„Setz dich hin und halt dein verfluchtes Mundwerk!“ Im ersten Moment wollte Haru verneinen, doch er wollte wissen was es mit dem Fremden auf sich hatte. Irgendwas stimmte hier nicht.
Also setze er sich nieder und sah jeden einzelnen an.
„Was ist hier eigentlich los? Was seid ihr so verflucht gereizt?“
Das Gesicht seines Vaters war wieder Rot vor Wut. Sogar die Ader war wieder zu sehen. Neugierig sah Haru den Fremden an. Hatte er das vollbracht? Was mochte er getan haben um seinen Vater so zur Raserei zu bringen? Er sah ganz normal aus. Vielleicht war es dieses freundliche Lächeln auf seinem Gesicht, das der Vater nicht leiden konnte. Lächeln war in dieser Familie verboten.
„Was der Grund ist fragst du? DU?“ Brauste der Vater auf. Haru kümmerte das laute Gebrüll nicht. Er war es gewohnt. Es war Normal. Doch was ihm wie ein Pfeil durch die Brust traf, war die zwrte, leise Stimme seiner Mutter.
„Du bist schuld.“ Ungläubig sah er sie an. Natürlich war er Schuld. Wer sonst, er bekam es ja jeden Tag von seinem Vater gesagt. Doch niemals, in den ganzen Jahren nicht, hatte ihn seine Mutter beschuldigt. Es war sein Hoffnungsanker gewesen. Wenn die Mutter es nicht so sah, dann war es auch nicht so. Aber nun,-
„Ist das dein Ernst Mutter? Siehst du das wirklich so?“ Seine Mutter hatte den Kopf gesenkt, dass ihre langen Blonden Haare ihm die Sicht auf ihr Gesicht versperrten.
„Ja.“
Haru schluckte schwer. Es tat weh.
„Bist du nicht ein wenig zu streng mit ihm, Isara?“
Haru hob den schmerzenden Blick zu dem Mann. Er lächelte noch immer. Aber warum sprach er Mutter mit dem Vornamen an? Kannten sich die beiden?
„Sie geht mit dem Jungen um, wie es ihr passt! Immerhin schert sich der Vater ja einen Dreck drum!“ Nun war Haru verwirrt. Seid wann war sein Vater so einsichtig? Wieso beledigte er sich selbst? Der Man neigte den Kopf weiter nach vorne.
„Wie sollte ich mich denn um Haru kümmern, dort wo ich war, konnte ich ihn nicht mitnehmen.“
Was? Der Fremde sollte sich um Haru kümmern? Hatten die Erwachsenen nun völlig den Verstand verloren? Sie redeten alle nur noch wirr!
„Du hast nie angerufen.“ Mutters Stimme kratze beim Sprechen. Der Fremde schloss immernoch lächelnd die Augen.
„Das durfte ich nicht. Und hätte es auch nicht gekonnt. Sollte der Junge einen Vater erleben, welcher vollkommen vernebelt von Medikamenten ist?“
Es schwiegen auf einmal alle. Die Mutter mit noch immer verstecktem Gesicht. Der Fremde lächelnd, der Vater wütend auf den Fremden starrend und Haru, der von einem zum anderen sah und nichts Verstand. Die Mutter hatte zu Zittern begonnen.
„Es wäre besser, wenn er niemals hier her gekommen wäre. Wenn ich mich niemals mit dir eingelassen hätte. Dann wäre er nicht hier, und alles wäre besser.“
Es war, als würde ein lautes Klicken durch Harus Körper ziehen. Das was er befremdlich Fand in dem Gesicht des Fremden war nichts anderes, als dass es seinem eigenen erschreckend ähnlich war. Die Braunen Augen, die schwarzen Haare, selbst die Lippenform war sich ähnlich. Dieser Fremde, sollte für ihn kein Fremder sein. Sondern sein Vater.
„Nun Isara, ihr wolltet mich heute sprechen. Ich bin hier, obwohl ich eigentlich gar nicht nach draußen dürfte. Ich nehme an, ihr wollt, dass ich den Jungen mitnehme?“
Haru spürte wie ihm heiß wurde. Ein fürchterliches Knäuel hing in seinem Bauch, das er sich übergeben wollte. Der Fremde, sein leiblicher Vater, sollte ihn mitnehmen? Sie wollten ihn verkaufen?
„NEIN!“
Haru schlug mit der geschlossenen Faust auf den Tisch.
„Ich werde das nicht mitmachen! Vergesst es! Schreibt euch das ab! Mit diesem Typen gehe ich keinen Schritt mit!“
Sein Vater, jedenfalls der von dem er 13 Jahre seines Lebens ausging es zu sein, sah ihn voller Zorn an.
„Du hast hier gar nichts zu sagen Hatsuharu! Wir bestimmen über dich! Und hier wirst du ganz sicher nicht bleiben.“
Haru zitterte am ganzen Leib. So sehr er auch wollte, er konnte dem Vater nicht in die Augen sehen.  
„Keine Sorge, ich bleibe nicht hier. Ich haue hier ab. Keinen  Tag länger ertrage ich dieses Schwachsinnige Theater!“
„Sei nicht dumm.“ Er blickte zu seiner Mutter auf. Sie hatten endlich den Kopf leicht gehoben. Ihre Augen lagen in tiefen, dunklen Höhlen. Es schimmerte etwas in ihnen. Hoffnung. Haru beruhigte sich ein wenig. Mutter wollte ihn hier behalten. Sie steiß ihn nicht ebenso fort wie Vater.
„Wo willst du denn hin? Du bist noch zu jung als das wir dich alleine Wohnen lassen könnten. Kein Amt erlaubt das. Oder Schatz?“ Sie sah zu Vater hinüber, hoffend die Hände vor der Brust haltend. Harus Augen weiteten sich, als er begriff, dass er falsch gelegen hatte. Mutters Hoffnung war nicht, das er hier blieb, sondern, dass er fortgehen könnte.
„Es gäbe eine Möglichkeit.“ Schaltete sich der Fremde ein.
„Betreutes Wohnen für Kinder. Mit Erlaubnis der Eltern bekommen Jugendliche ab dem 12 lebensjahr eine Wohnung zugeteilt. Ein Sozialarbeiter sieht ab und an nach dem Jungen bis er alt genug ist.“
Dies schien die Lösung zu sein. Mutter brach in Tränen der Erleichterung aus, Vater holte bereits einen Koffer, und der Fremde...der Fremde lächelte.

„Dummer kleiner Haru fällt von einem Baum,
er hielt sich nicht fest, man glaub es kaum.
Sein kleiner Verstand hat immer nur zu ruhn,
nun hat der Arzt mit ihm zu tun.“
„Hört auf.“  Haru hatte die Augen geschlossen und die Hände in den Taschen. Er zählte nun Sechzehn Jahre. Seit drei Jahren lebte er nun schon in einer Einraumwohnung. Seine Sozialarbeiterin war ein junges Ding. Nicht viel Älter als 22 Jahre. Sie hatte ihn zur Schule getrieben, auf das er seinen Abschluss macht. Doch bis auf Französisch waren die restlichen Fächer mehr als unbefriedigend. Aber wen interessierte das schon?
Von seinen Eltern hatte er seit seinem Umzug nichts mehr gehört. Jeden der ihn danach fragte sagte er, er hätte seine Eltern nie kennengelernt. Und in gewisser Weise stimmte das ja sogar. Diese Menschen waren ihm fremd. Er war allein. Und wollte doch nicht alleine sein. Aus diesem einfachen Grund lief er oft durch die Straße wo ihn viele seiner alten Mitschüler trafen. In ihren Augen war er zurückgeblieben. Der Junge ohne Eltern. Der Junge, der sich alles gefallen ließ. Und so war ein Kinderreim wie dieser keine Seltenheit.
„Aber warum denn Hatsuharu? Fühlst du dich nicht geehrt, dass wir ein Lied für dich komponiert haben?“ Fragte eine Mädchenstimme und er konnte das Lächeln in darin hören. Er hasste es wenn ihn jemand so nannte. Haru drehte den Kopf fort. Sein Gesicht ausdruckslos wie immer.
„Nein.“
Antwortete er als einziges auf ihre Frage und das Gelächter setzte wieder ein.
„Dummer, dummer Haru.
Schreit nur immer Na-nu.
Versteht nicht was sie wihill
das ist für ihn zu viihiel.“
Sangen sie weiter und Haru verkrampfte die Hände zu Fäusten. Es reichte. Er war nicht dumm. War er nie gewesen. Warum dachten das nur immer alle von ihm?
„Haru, Haru, Dummer, dummer Haru.“
Er fasste sich mit beiden Händen den Kopf.
„Hört auf. Hört auf hab ich gesagt.“
Doch sie sangen weiter. Immer und immer wieder dieses Lied. Als sie Plötzlich verstummten. Haru öffnete die Augen und überrascht stellte er fest, dass die anderen erstarrt hinter ihn blickten. Als er sich umdrehte, spürte er Aufregung in sich aufsteigen. Er war viel Größer geworden. Vielleicht sogar ein Stück Größer als er. Doch seine schwarzen Haare waren noch genauso zerzaust wie an jenem Tag im Wald. Seine Sachen waren nicht mehr voller Dreck und roter Farbe, sondern sauber und ordentlich. Der oberste Knopf seines weißen Hemdes stand offen. Darüber trug er eine lederne Jacke, welche ihm noch ein wenig zu groß schien. Es war der Junge aus dem holen Baumstamm. Dieser,- wie hieß er noch gleich? Es wollte ihm nicht einfallen. Denn nur zu gut, erkannte er den Grund für die Angst der anderen.
Seine Augen waren von einem kalten Eisblau und starrten zornfunkelnd zu den anderen hinüber. Man konnte förmlich fühlen wie sie kleine Eispfeile abschossen. Es war der Blick eines Killers. Von Jemandem, der keine Skrupel hatte seine Kraft ein zu setzen. Und gleichzeitig sah Haru noch etwas anderes. Etwas wildes, ungebändigtes. Wie ein Tier, welches in einem Käfig hockte.
„Was soll dass? Habt ihr nichts besseres zu tun? Verzieht euch.“
Er war nicht älter als Haru und die anderen und trotzdem hatte seine Stimme etwas an sich, dass einem zum Gehorsam drängte. Und so konnte er, noch bevor das letzte Wort ausgesprochen war, hören wie die anderen davonrannten. Er hatte ihm geholfen. Der Junge von damals. Der Junge, der nun bereits am weitergehen war.
„He, warte!“
Der Blauäugige drehte sich ihm wieder zu und setzte ein Lächeln auf. Haru stockte. Dieses Lächeln kannte er. Es sah freundlich und höflich aus. Aber nicht echt. Nicht ganz. Ein Theaterstück und er trug die Maske dazu.
„Danke, man.“
Brachte er mit Mühe hervor. Wieso fiel es ihm so schwer mit ihm zu reden? Das tat es doch sonst nicht? Der Junge von damals nickte.
„Kein Problem. Solchen Leuten muss man manchmal die Leviten lesen.“
Harus Ausdruck wurde weltentrückt.
„Leviten....lesen?“ Fragte er. Er kannte den Ausdruck nicht. Der Junge von damals nickte.
„Ja. Die Meinung geigen, wenn du es so ausdrücken willst.“ Haru nickte. Das konnte er verstehen. Leviten lesen. Das musste er sich aufschreiben!
„Na, dann. Auf wiedersehen. Ich muss zur Arbeit.“
Er trat einen Schritt von ihm weg und Haru kam ihm hinterher.
„Darf ich dich ein Stück begleiten?“ Arbeiten? Er war doch sicherlich auch erst 17. Und er ging schon arbeiten? Haru fühlte wie er dem Jungen immer Respekt entgegenbrachte.
„Sicher. Ich muss mich nur beeilen. Also flinken Fußes, bitte.“ Haru war überglücklich. Schon lange hatte er sich nicht mehr so gefühlt. Er holte auf und lief neben ihm her.
„Mein Name ist Hatsuharu. Aber du nennst mich Haru.“
„Ganz schön herrisch. Was wenn ich dich nicht so nennen will?“ Ein wenig erschrocken sah Haru zu ihm hinüber. Dann setzte er die stoische Miene wieder auf.
„Das wäre schade.“
Der Junge lachte leise und es zog eine Gänsehaut über Harus Körper. Es war ein ehrliches Lachen. Wenn es auch ein wenig traurig klang.
„Mein Name ist Damian. Nett dich kennen zu lernen, Haru.“ Ein Seeliges Lächeln senkte sich auf Harus Gesicht. Es schien, als hätte er einen Freund gefunden.

Haru und Damian verbrachten viel Zeit miteinander. Wenn Damian arbeitete, wartete Haru draußen vor dem Geschäft bis er Feierabend hatte. Manchmal sah er sich selbst nach einem Job um. Doch mit solch schlechten Noten, war es schwer jemanden zu finden, der Ihn einstellte. Er hatte Damian alles aus seinem Leben erzählt. Sich oft bei ihm ausgeweint. Damian hatte nur Genickt und sein Haar gestreichelt. Er trug es nun ebenfalls zerzaust. Seine Kleider waren denen von Damian sehr ähnlich. Denn Damian war sein Vorbild. Auch er hatte eine schreckliche Kindheit. Eltern, die ihn von seiner Geburt an gehasst hatten, ihm das Leben zur Hölle gemacht hatten. Sein Vater hatte die Strafe dafür schon erhalten. Ein Tollwütiger Hund hatte ihn tot gebissen. Daraufhin verlangte seine Mutter Miete von ihm, wofür er jeden Tag hart arbeitete. Er wollte dort raus. So schnell es möglich war. Doch er wollte nicht nach der Unterschrift der Mutter Fragen.
„Du kannst doch bei mir wohnen.“
Hatte Haru ihm angeboten während sie auf einem der Dächer der Stadt saßen und wie so oft den Sonnenaufgang beobachteten.
„Du bist doch eh schon jeden Tag hier.“ Daraufhin war Damians Blick weich geworden. Sein Lächeln war liebevoll und voller Zärtlichkeit. Haru wusste von wem er gleich sprechen würde. Es gab nur einen, der diesen Gesichtsausdruck bei Damian auslöste.
„Das geht nicht. Das kann ich Raymon nicht antun.“
Daraufhin hatte Haru geschwiegen. Er hasste das Gefühl, dass ihn beschlich sobald Damians Bruder  ins Gespräch kam. Er hasste es, dass er überhaupt so fühlte. Aber was sollte er schon gegen einen Bruder ausrichten können?
„Aber eure Mutter verbietet es immernoch das ihr euch seht?“ Fragte er schließlich, als er das Gefühl niederkämpfen konnte. Damian ließ sich zurück auf den Rücken fallen.
„Ja. Aber das Tangiert mich peripher.“
Haru sah ihn Ausdruckslos an.
„Es geht mir am Arsch vorbei.“
Haru nickte und zückte ein kleines schwarzes Notizheft. Damian machte sich nie über ihn lustig, wenn er etwas nicht verstand. Er schien es zu überhören und irgendwie direkt danach nocheinmal verständlich für ihn auszudrücken. Also hatte Haru sich angewöhnt alles auf zu schreiben. Irgendwann einmal konnte er vielleicht mit ihm mithalten. Oder er käme ins Guinnesbuch der Rekorde. Beides wäre cool.
„Ist ja auch egal. In zwei Monaten werde ich 18 und dann suche ich mir eine Wohnung und hole meinen Bruder zu mir. Wie auch immer ich das anstelle. Und dann ist alles besser.“
Haru schluckte hörbar und legte sich ebenfalls auf den Rücken.
„Damian...Darf ich dann auch zu dir kommen?“
Der andere Schwieg eine weile und Haru traute sich nicht zu ihm zu sehen. Sein Herz schlug wild als wolle es aus seiner Brust fliehen. Sein ganzer Körper sirrte davon. Er wusste nicht, wann er Damians Gesicht, seinen Namen, seine Stimme mit dem Wort Liebe in Verbindung brachte. Er stand nicht auf Männer. Er stand auf Frauen. Besondere Frauen.
Doch er liebte Damian.
„Sicher. Wir sind doch Freunde.“
Harus Herz hüpfte und schien gleichzeitig einen Schlag auszusetzen. Er durfte ihn Besuchen als Freund.
„Damian. Ich muss dir da mal was sagen.“
Der andere drehte seinen Kopf zu ihm herum
„Sicher. Nur raus damit.“
Haru öffnete den Mund, schloss ihn wieder, öffnete ihn wieder eher er sehr monotin sagte:
„Ich liebe dich.“
Es entstand eine längere Pause in der Haru versuchte nicht laut auf zu schreien. Warum sagte er nichts? Warum schwieg er nur?
„Was sagst du nur immer für seltsame Sachen.“
Harus Augen wurden groß und er hielt erschrocken den Atem an. Warum sagte Damian so was?
Jener erhob sich mit einem Ächtzen und auch Haru richtete sich auf.
„Wieso seltsam?“
Fragte er doch alles war egal als Damian sich zu ihm umdrehte. Auf seinem Gesicht war das Maskenlächeln. Ein Lächeln, was er für Fremde auflegte. Fremde die ihn nicht kannten. Die nicht wussten, dass dieses Lächeln aufgesetzt war. Es wirkte nahezu perfekt. Selbst kleine Lachfalten bildeten sich um seine Augen, welche freundlich blickten und doch... war es nicht ehrlich.
„Na seltsam eben. Ich muss jetzt los. Wir sehen uns.“
Haru sprang auf.
„Morgen wieder?“
Damian drehte sich nicht um, er blieb auch nicht stehen als er ihm antwortete.
„Nein. Auch übermorgen, und die nächste Woche nicht. Ich werde jetzt öfter keine Zeit mehr für dich haben. Ciao Haru.“
Und damit verschwand er und ließ Haru mit dieser Information alleine zurück. Dieser starrte auf seine Hände. Warum hatte Damian so komisch geantwortet? Warum hatte er keine Zeit mehr für ihn? War es, weil er wen anderes kennengelernt hatte? Haru riss den Kopf nach oben. Sein Blick war Zornerfüllt. Das muss es sein. Und egal wer es war, Haru würde ihm zeigen, was es bedeutete ihm jemandem weg zu nehmen!
Und so lief Haru ihm immer hinterher. Doch er konnte in Damians nähe keinen anderen Kerl ausmachen. Immer war da nur diese Frau. Eine Frau die ihm eine Hässliche Orangefarbene Mütze schenkte. Zu der er immer mit nach Hause ging. Sie machte Damian glücklich. Er sah es in seinem Gesicht. Er lächelte. Er lächelte ehrlich. Und nach und nach, gestand Haru sich ein, dass es diese Frau war, weshalb Damian nur noch selten mit ihm etwas unternahm. Sie trafen sich weiterhin, doch Damian schien immer abwesend zu sein. Als wäre eine tiefe Kluft zwischen ihnen entstanden, und so sehr Haru auch darüber nachdachte, er wusste einfach nicht wie er sie zu überbrücken schaffte.
Und dann kam dieser Tag. Es war wie der Tag seiner ersten Erinnerung. Ganz normal. Es regnete ein wenig. Aber ansonsten war nichts besonderes. Er hatte Damian beobachtet wie er die Wohnung dieser Frau verließ. Haru war ihm nicht gefolgt, denn heute war ihm danach, zu sehen was diese Frau tat wenn Damian nicht bei ihr war. Vielleicht hatte sie ja eine Affäre. Damian jedenfalls schien zu dem Haus seiner Mutter zu gehen. Sicherlich um seinen kleinen Bruder zu besuchen. Es dauerte nicht lange, vielleicht eine Stunde, ehe die Frau aus dem Eingang trat. Sie lief in Richtung Stadt. Vielleicht um einzukaufen. Alles normal. Vielleicht hätte er stutzig werden sollen, als er bemerkte, dass ihr zwei Jungen folgten. Vielleicht hätte er sie ansprechen sollen, als ihm klar wurde, dass sie Waffen trugen. Und vielleicht, hatte er sie aufhalten sollen, als sie ihr in eine kleine schlecht einsehbare Gasse folgten. Die nächsten zwanzig Sekunden war nichts zu hören. Dann Geschrei, ein Fluchen, ein Schuss, ein Fauchen und brüllen, ein erneuter Schuss und schließlich wieder Stille.
Einer der zwei Männer kam aus der Gasse gerannt. Es folgte ihm niemand. Haru trat auf die Gasse zu. Es roch nach Blut. Der Gedanke kam ihm, aber er wusste nicht weshalb. Sicher war, dass es nur so sein konnte. Denn der Boden war rot. Ein kleiner roter See, der sich um den Körper der Frau bildete. Haru trat nicht weiter an sie heran. Sein Blick war wieder Anteilnahmslos.
„Bist du tot?“
Er erhielt keine Antwort.
„Schlaf gut. Ich pass auf ihn auf.“
Dann drehte er sich fort. Der zweite Mann musste in die andere Richtung geflohen sein, doch Haru folgte dem ersten. Er wusste es nicht einmal. Seine Beine trugen ihn einfach, als verfolgten seine Beine einen roten Faden, geführt von seiner Nase. Denn er bildete sich ein immer noch das Blut zu riechen. Er folgte diesem Faden bis spät in die Nacht hinein. Er hatte schon lange keine Ahnung mehr wo er sich überhaupt befand. Doch als er um die nächste Ecke bog stand da plötzlich Damian.
Haru widerstand dem Impuls zu ihm zu gehen. Es war etwas sehr trauriges an dem Bild was sich ihm bot. Vor Damian lag ein riesiger, toter, mit gelbem Fell bedeckter Körper. Und Damian sah auf ihn hinab. Von Harus Blickwinkel aus, konnte er nur den Rücken das Freundes erkennen. Den gebeugten Rücken. Die angespannten Schultern. Die zu Fäusten geballten Hände. Er kannte solch ein Bild. Und er hatte es lange hinter sich gelassen. Das war er selbst einmal. Und er wusste, dass jemand ihm daraus geholfen hatte. Ihm jemand die Hand gereicht hatte. Jetzt konnte er dasselbe tun.
Warum tat er es dann nicht?
Warum ging er nicht hin?
Wieso ließ er seinen Geliebten Freund dort stehen? Leiden?
Weil da noch etwas war. Ein tiefer dunkler Ton. Brummend, knurrend. Und er kam von Damian. Damals, als er unter dem Baumstamm gelegen hatte, waren seine Kleider dreckig und mit roter Farbe beschmiert. Genau solch einer roten Farbe, wie sie ihm nun von den Fäusten tropfte.
Das da war nicht sein Damian. Die war etwas anderes. Irgendetwas, dass sich seiner bemächtigt hatte. Und als würde er seine Gedanken bestätigen, trat Damian noch einmal gegen die Gestalt auf dem Boden und drehte sich dann um. Seine Augen waren Eiskalt. Sie schienen in dem spärlichen Licht der Laterne vor der Gasse zu leuchten. Sie schienen nur ein Wort zu schreien:
„Töten.“
Haru trat einen Schritt zurück um hinter der Ecke aus Damians Blickfeld zu verschwinden. Er schloss die Augen und konnte fühlen wie dieser an ihm vorbeilief. Er nahm keine Notiz von Haru. Und zum ersten Mal war er darüber froh.
Er begann fort zu rennen. Er wollte nicht in die Gasse gehen. Wollte nicht sehen, was das für eine Leblose Gestalt am Boden war. Er wollte nicht sehen was Damian damit angestellt hatte. Viele Stunden später, erreichte er dann schließlich seine Wohnung. Wie er immer wieder hier her zurückfand war ihm ein Rätsel, aber er tat es. Es war still. Viel zu still. So Still, dass er seine Gedanken wieder hören konnte.
Du bist dumm! So dumm!
„Ich bin nicht dumm.“
Doch das bist du! Darum ist Damian so geworden!
„Damian war schon so. Er ist schwarz.“
Er wusste nicht wie er auf diesen Gedanken kam. Aber es passte. Damian war schwarz. Und Haru war einmal weiß gewesen. Seit er Damian kannte, bestand die Welt aus Grau. Und sie war es immer noch. Grau. Eine Mischung aus Schwarz und Weiß.
Damian war sein Gegenstück.
Langsam ließ Haru sich an der Wand hinab gleiten. Die Hände in die Haare gekrallt wippte er vor und zurück.
„Es tut mir leid. Es tut mir leid.“
Aber eines stand für ihn fest. Egal was Damian heute getan hatte. Haru liebte ihn. Den Damian, der ihm die Dinge erklärt hatte, der ihm die Hand reichte, wenn er sich verlaufen hatte. Diesen Damian. Der so ein warmes Lächeln für seinen Bruder hatte.

Vier Jahre zogen schleppend durchs Land. Haru zählte nun 22 Lebensjahre und lebte in einer kleinen Ein Zimmer Wohnung. Er hatte Damian in dieser Zeit nur ganze vier mal gesehen. Zu seinem Geburtstag. Er kam jedes Jahr. Und jedes Jahr ging er mit den gleichen Worten:
„Bis zum nächsten Mal.“
Irgendetwas war anders geworden zwischen ihnen. Damian war schweigsamer. Und sein Gesicht zierte alle Zeit eine Grimmige Miene der Entschlossenheit. Noch immer schien es ihn zu Quälen, dass sein kleiner Bruder bei ihrer Mutter war.
Damian und Haru saßen an seinem 22 Geburtstag zusammen auf der Couch und schauten irgendeinen Film als Damians Handy klingelte. Es war Raymon. Haru konnte es genau verstehen. Er bat seinen großen Bruder zu ihm zu kommen. Und Damian sagte zu. Harus Herz zog sich zusammen. Aber er blieb still. Sah nur mit Ausdruckslosem Blick Damian hinterher, wie ersich anzog und zur Tür ging.
„Ciao, Haru,“
Dann klappte die Tür und Haru saß gelähmt auf seiner Couch. Ciao Haru.
Er hatte diese Worte schon einmal von Damian gehört. Und damals war etwas kaputt gegangen.
Er begann am ganzen Körper zu zittern. Nein! Nein, dieses Mal nicht!
Haru sprang auf und rannte Damian hinterher. Aber er war nirgends zu sehen. Wie lange hatte er auf der Couch gesessen? Er rannte zum Haus seiner Mutter, doch auch hier war niemand mehr. Wirklich niemand? Die Haustür stand offen, und von oben drang ein Rauschen an seine Ohren. Er beschleunigte seine Schritte. War Damian unter der Dusche? Oder Raymon?
„Hallo?“
Rief Haru, doch erhielt er keine Antwort. Und als er in das Badezimmer kam, wusste er auch warum. Dort lag Damians Mutter, vornüber gebeugt in der Badewanne. Der Boden war ein einziger See. Haru trat näher. Sie war tot. Ertränkt. Tot. Damian. Damian hatte sie getötet? Hatte er? Nein. Er war nur wieder zur falschen Zeit am falschen Ort. Wie vor vier Jahren. Genau so musste es sein.
Aber wo war Damian?
Haru lief weiter durch die Straßen. Wo war Damian? Wie konnte jemand wie Damian verloren gehen? Das ging nicht! Wo wohnte er überhaupt? Warum wusste Haru das nicht?
Seine Seiten begannen zu stechen und als er schließlich nicht mehr konnte sah er auf. Er stand vor seiner Haustür.
„Merde Alors!“ Verdammte scheiße!
„Warum tragen mich diese Beine nur immer nach Hause? Nicht auch mal woanders hin?“
Er sank auf die Knie. Tränen brannten in den Winkeln seiner Augen, doch wollten sie einfach nicht fließen. Sein Atem ging schwer von dem langen Lauf. Er hatte Damian nicht gefunden. Damian war weg. Er hatte das Unglück wieder nicht verhindern können.
Der Himmel verschloss sich unter dunklen schweren Wolken und ein starker Platzregen setzte ein.
„Haru.“
Er schüttelte den Kopf. Jetzt hörte sich dieser verdammte Regen schon wie Damian an.
„Haru. Steh auf.“
Er hob den Blick. Konnte das sein? Da stand Damian. Seine Kleider waren durchnässt und klebten an seinem Körper. Seit wann passte er in seine Lederjacke?
„Steh schon auf Haru. Hast du dich schon wieder verlaufen?“
Haru nickte. Selbst wenn er gerade wusste wo er sich befand, so fühlte er sich innerlich verirrt. Er erhob sich. Damians Blick war kalt. Er lächelte nicht. Nicht einmal sein aufgesetztes Lächeln. Haru wünschte es sich zurück.
„Haru. Ich werde von hier verschwinden. Raymon nehme ich mit.“
Haru nickte wieder.
„Ich komme mit.“
„Nein.“ Es war so endgültig. So bestimmend.
„Warum nicht?“ Schrie Haru. Damian zuckte nicht einmal.
„Weil ich es leid bin.“
Harus Herz setzte für einen Moment aus. Er verlor jede Herrschaft über seine Gesichtszüge. Er war ihn...leid?“
„Was soll das heißen? Wo gehst du hin? Nimm mich gefälligst mit!“ Harus kreischende Stimme wurde von den Wänden der Häuser zurückgeworfen. ER schlug Damian gegen die Brust. Immer noch rührte dieser sich nicht.
„Haru. Vergiss es. Ich werde dich nicht mitnehmen. Ich bin es leid. Versteh es! Versuch wengstens dass einmal in deinen Dummen Schädel zu bekommen! Ich war aus Mitleid bei dir!“
So gefasst Damian auch versuchte zu wirken. Auch seine Stimme wurde lauter. Haru wollte das nicht hören. Sein Herz tat weh. Er krallte seine Finger in das Damians nasses Hemd und drückte seine Stirn an dessen Brust.
„Hör auf.“ er klang so kläglich.
„Nein Haru. Ich höre nicht auf, denn anders verstehst du es ja nicht. Vergiss mich Haru. Du hast dir da etwas zusammengesponnen was nie wirklich wird. Ich verschwinde von hier. Leb endlich dein Leben Haru. Nicht meins. Verschwinde von hier. Ich bin es leid.“
Etwas stach in seiner Brust. Kratzte an seiner Schale. Und irgendetwas kroch seine Kehle hinauf.
„Du bist unzuverlässig. Was soll ich mit einem unzuverlässigen Freund machen, der sich immer wieder verirrt?“
Das etwas kletterte in seinen Mundraum. Vibrierte dort. Und als er den Mund öffnete trat ein kätzisches Fauchen aus ihm heraus. Damians Augen weiteten sich für einen Moment.
„Du fauchst mich an? Siehst du. Du bist unbeständig wie Wasser. In alles kann man dich füllen, aber wenn man dich greifen will, fliehst du. Verschwinde! Lass mich und meinen Bruder in Ruhe!“
Dann stieß er ihn fort. Haru fasste verzweifelt nach Damians Hand doch jener entzog sie ihm und wandte den Blick ab.
„Du bist Abschaum. Dummer Abschaum.“
Sein Herz brach. Er hatte es sich immer lauter vorgestellt wenn so etwas passierte. Doch es war ganz leise. So leise, dass selbst er es kaum hören konnte. Haru rannte los. Er rannte, bis die Nacht hereigebrochen war und die Straßenlaternen ihr Licht der Nacht schenkten. Doch es drang nicht in Haru hinein. Es war dort dunkel. Dunkler als die tiefste Nacht. Er war schwarz geworden. Durch Damian. Den weißen Haru gab es nicht mehr. Er war fort. Nun war da nur noch Schwarz. Kein Weiß, kein Grau. Nichts. Seine Seiten stachen, doch er hörte nicht auf zu laufen. Er war Wasser und er floh....

tja, wie ihr seht, weiß Haru zu diesem Zeitpunkt immernoch nicht, dass er ein Animas ist...Ihr wollt wissen wie er es herausbekam?
Das ist eine andere Geschichte und soll ein Andermal erzählt werden....

Ihr wollt wissen, was da in Damian vorging? Na dann könnt ihr seine Geschichte hier lesen: "Weil du mein Bruder bist"
Nach oben Nach unten
 
"Just a little time"
Nach oben 
Seite 1 von 1

Befugnisse in diesem ForumSie können in diesem Forum nicht antworten
Animas ::  :: Kaffeeklatsch :: Poetry-Slam-
Gehe zu: